Solingen, 2. Dezember 2025
Offener Brief zur Abschiebung von Familie Joseph
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Flemm,
sehr geehrte Damen und Herren im Ausländer- und Integrationsbüro,
ich schreibe Ihnen als zuständiger Pfarrer für unsere Gemeindemitglieder, Familie Joseph, die bislang in der Grünewalder Straße gewohnt haben: Die Eltern Rosemary und Evans Joseph mit ihren Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren.
Am 24.11. hat uns die Nachricht erreicht, dass Familie Joseph offenbar in den frühen Morgenstunden nach Nigeria abgeschoben worden ist. Frau Joseph war an dem Tag nur noch kurz in Frankfurt telefonisch erreichbar. Sie war verängstigt und erkennbar in Sorge um ihre Familie. Familie Joseph ist am folgenden Tag in Nigeria gelandet; wir halten seitdem weiterhin Kontakt.
Wir sind über das Vorgehen der Behörden entsetzt.
Auf die Bitte von Familie Joseph hin hatten wir als Gemeinde noch versucht, ihnen in die-ser Zwangslage so weit wie möglich zu helfen.
Die Familie hat ihren Lebensmittelpunkt in Solingen. Alle drei Kinder sind in Deutschland geboren und haben bisher den Kindergarten bzw. die Grundschule besucht. Familie Joseph war stets aufrichtig darum bemüht, sich weiterhin in Deutschland zu integrieren, Deutsch zu lernen und ihr Leben aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Bereits diese Bemühungen wurden ihnen erheblich erschwert, indem Herrn Joseph eine dauerhafte Arbeitserlaubnis verweigert wurde.
Die Familienmitglieder besuchten regelmäßig unsere Gottesdienste und nahmen aktiv am Gemeindeleben teil. Sie gehörten zu den treuesten und regelmäßigsten Gottesdienstbesuchern. Alle drei Kinder wurden in der Lutherkirche getauft; Frau Joseph wurde in unserer Gemeinde der Konfirmation gleichgestellt.
Als Gemeinde fühlen wir uns verantwortlich für unsere Gemeindeglieder, ganz gleich welcher Herkunft sie sind und welchen Aufenthaltsstatus sie haben.
Es ist uns unbegreiflich, wie unverhältnismäßig hart eine Familie behandelt wird, die sich nach Kräften bemüht, in Deutschland ein menschenwürdiges Leben zu führen und ein produktiver Teil der Gesellschaft zu sein. Wir sind erschüttert über ein gesellschaftliches Klima, in dem Abschiebungen offensichtlich als Teil einer Symbolpolitik eingesetzt werden, ohne Rücksicht darauf, dass hier mit den Existenzen von Familien gespielt wird. In diesem Fall hat es nun wirklich die Falschen getroffen.
Wir bitte Sie um Rückmeldung und eine Stellungnahme zum Vorgehen gegen unsere Ge-meindeglieder.
Für das Presbyterium der Luther-Kirchengemeinde
Pfr. Christian Lerch