Das Kind zog sich mehr und mehr zurück. Lehrer und Mutter sorgten sich um das Mädchen. Als die Mutter vom Internat in Talitha hörte, stand ihr Entschluss fest: Amani sollte im Internat untergebracht werden und dort zur Schule gehen.
Es ist ein großer Schritt, sein Zuhause zu verlassen und ein Internat zu besuchen. Eltern, die in Palästina leben, gehen diesen Schritt aus unterschiedlichen Gründen.
Es gibt Mütter, die ganz besonders ihren Töchtern eine gute Ausbildung ermöglichen möchten. Wer auf dem Land in einem der kleinen Dörfern rund um Hebron lebt, mit einem Mann verheiratet ist, der noch drei Frauen hat, und Söhne nach wie vor in vielen Familien mehr zählen, versucht für seine Tochter die Lebenssituation zu verbessern. Die Möglichkeit gibt es im Internat.
Oder: Noch heute leben viele Palästinenser im eigenen Land in Flüchtlingslagern. Die Bedingungen fürs alltägliche Leben sind dort sehr schlecht. Kinder, die dort aufwachsen, haben keinen ruhigen Ort, um zu lernen.
Ihr Alltag ist von Vernachlässigung, häuslichen Probleme oder Unsicherheit geprägt. Im Internat und auch in der Schule erfahren sie Schutz, Zusammenhalt, Wertschätzung und Förderung – einen sicheren Ort, um sich frei und fröhlich entfalten zu können, um lebenstüchtig zu werden.
(Für Jungen gibt es im Ort ein Internat.)
Die Schülerinnen und Schüler (seit 1980 werden auch Jungen in Talitha unterrichtet) von Talitha kommen aus den angrenzenden Orten und Dörfern: aus Beit Jala, Bethlehem und Beit Sahour.
Wer in Talitha Kumi zur Schule geht, hat die Möglichkeit, eine solide Schulausbildung zu bekommen. Unterrichtet wird von der 1. bis zur 12. Klasse. Es ist möglich, das jordanische Abitur oder das deutsche, international anerkannte, Abitur zu machen.
Während in staatlichen Schulen der Unterricht oft ausfällt, die Lehrmaterialen veraltet sind, die Lehrer schlecht bezahlt werden, ist das in Talitha anders. Talitha Kumi wird finanziert durch das Berliner Missionswerk - letztendlich also durch Spendengelder.
Gerade im letzten Rundschreiben wies der Schulleiter Rolf Lindemann darauf hin, dass durch die Spendengelder die Schulmöbel aufgearbeitet und die Klassenräume mit Laptops und Beamern ausgestattet werden konnten.
Da Talitha Kumi eine private Schule ist, muss ein Schulgeld bezahlt werden.
Das Schulgeld wird über Spenden finanziert, genauso wie die Unterbringung im Internat oder der Besuch des Kindergartens, sodass eben auch Kinder aus armen oder finanziell schlecht gestellten Haushalten eine Möglichkeit auf Bildung und damit eine Chance fürs Leben haben.
Die Verantwortlichen von Talitha Kumi sehen Bildung als Friedensarbeit.
Gewaltlosigkeit, Integration und Inklusion sind nur einige Schlagwörter, die für die pädagogische Ausrichtung der Arbeit wichtig ist.
Nahostreferent Jens Nieper schrieb: „Es bleibt eine Aufgabe, jungen Menschen, die in einem Konflikt leben, die Perspektive zu eröffnen, dass man besser Verbündete schon in der Krise sucht, um gemeinsam eine Zukunft aufzubauen, statt auf Frieden und Unabhängigkeit zu warten, um dann sich auf der Gegenseite Partner zu suchen.“ (Der Artikel „Aufstehen, aufeinander zugehen …“ ist über das Berliner Missionswerk zu bekommen)
So hat der Schüleraustausch mit Deutschland eine lange Tradition. In einer Stadt in Deutschland gelingt sogar ein trilateraler Austausch mit deutschen, israelischen und palästinensischen Schülern.
In Talitha Kumi werden ev., kath., griech.-orth. und muslimische Kinder untererrichtet.
Wären die politischen Rahmenbedingungen anders, wären bestimmt auch jüdische Kinder dort.
Jeder Schulmorgen beginnt mit einer gemeinsamen Andacht für alle Schülerinnen und Schüler gleich welcher Religion oder Konfession. Immer ein anderer Lehrer oder Lehrerin bereitet die Andacht vor und feiert sie dann mit allen. So gibt es Andachten, die evangelisch ausgerichtet sind, kath. oder muslimisch.
Diese Art miteinander Andacht zu feiern, den Schulmorgen zu beginnen, hat mich immer besonders beeindruckt.
In der eigenen Hotelfachschule, die in den letzten Jahren aufgebaut wurde, ist es nun auch möglich, eine Ausbildung zu absolvieren.
Ich bin sehr froh, dass wir in vielen Gottesdiensten unserer Gemeinde für die Arbeit in Talitha Kumi sammeln.
Viele palästinensische Erwachsene sind deprimiert angesichts der jahrzehntelangen Besatzung und schauen pessimistisch in die Zukunft.
Talitha bietet einen Kontrapunkt zur angespannten Situation im Land.
Von klein auf im Kindergarten bis zur 12. Klasse bietet Talitha Kumi, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, Frieden auszuprobieren, zu erlernen und zu erfahren, in einer Umgebung, die geprägt ist von kriegerischen Auseinandersetzungen.
Für mich ist es selbstverständlich, diese Arbeit und diese Menschen mit Geldmitteln und Gebet zu unterstützen, damit auch noch morgen Jungen und Mädchen hören: Steht auf, geht auf einander zu … Gott ist mit Euch!