Orgelwartung

Unsere Orgel

gestern und heute

Die über einhundert Jahre Geschichte der Lutherkirche spiegeln nicht nur ein Stück Kirchenbau- und Zeitgeschichte wieder, mit ihnen können auch einige interessante Facetten aus der Geschichte des Orgelbaus illustriert werden.

Paul Hoffmann, Königlicher Musikdirektor und erster Kantor der Lutherkirche begann seine reiche Arbeit im Jahre 1901 mit der klanglich und optisch einzigartigen Seifert-Orgel. Er hat sein Instrument geliebt, beschützt und intensiv genutzt. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienst 1935 hat er fast zweihundertundfünfzig Konzerte gespielt. Sogar bei reinen Orgelkonzerten mußten verschiedentlich im ersten Weltkrieg die Kirchentüren polizeilich geschlossen werden erinnerte sich dazu ein Zeitzeuge.

In Hoffmanns Amtszeit fällt die Abgabe der wertvollen Zinnpfeifen des Prospektes zu Kriegszwecken 1917 und ihr Ersatz durch billige Zinkpfeifen, von denen sich zwei bis heute erhalten haben.

Ende der dreißiger Jahre wurde die Seifert-Orgel vom Opladener Orgelbauer Weyland einem einschneidenden Umbau unterzogen. Dem gewandelten Zeitgeschmack entsprechend sollten viele der romantischen Grundstimmen durch Register im Vier- und Zweifußbereich, Aliquoten und hochliegende Mixturen ersetzt werden. Diese Arbeiten blieben Fragment, denn der mit ihnen betraute Opladener Orgelbauer Weyland wurde zur Wehrmacht eingezogen. Zeugnis seiner damaligen Arbeiten ist der noch heute existierende elektrische Spieltisch, auch er ein Produkt des Zeitgeschmacks.

Die unsachgemäße Sprengung eines Blindgängers vor dem Portal der Lutherkirche zerstörte nicht nur Fenster und Dach, sondern vor allem auch die Orgel.

Nachdem er aus russischer Krieggefangenschaft zurückkehrt war, setzte Hoffmanns Nachfolger Heinz Wedekind alles daran, im Bachjahr 1950 in der Lutherkirche Bachs zweihundertsten Todestag angemessen würdigen zu können. So kam es zur Konzeption einer Interimsorgel, die in den alten Seifert-Prospekt hineingebaut wurde.

Nachdem der Bau einer neuen großen Orgel beschlossen wurde, wurden Interim und Seifert-Gehäuse abgebrochen und eine kleine einmanualige Kleucker-Orgel begleitete als Übergangsinstrument die Gottesdienste. Sie kam später ins Gemeindehaus an der Neuenhofer Straße.

1960 konnte als nunmehr fünftes Instrument der Lutherkirche die jetzige Weyland-Orgel eingeweiht werden. An ihr lassen sich die Spuren der bewegten Orgelgeschichte der Lutherkirche immer noch sehr gut ablesen, denn Weyland verwendete Gehäusereste der alten Seifert-Orgel, Pfeifenmaterial dieses Instrumentes, aber auch anderer zerstörten Solinger Orgeln, vor allem jedoch den elektrischen Spieltisch.

Berührend ist der Bericht eines Zeitzeugen, wonach dieser Ende der vierziger Jahre in den Schaufenstern eines Solinger Geschäftes gestanden hätte, um für den Orgelbau von 1950 zu werben.

Orgelprospekt 1922

Dass Weyland noch 1960 auf das veraltete und störanfällige System der Taschenladen zurückgriff, hat unter anderem damit zu tun, dass die Opladener Firma vermutlich eine mechanische Orgel dieser Größenordnung nicht hätte bauen können, aber der Gemeinde verbunden. Andererseits verraten die Orgelakten, dass man schon damals sehr preisbewusst argumentierte, was sich unter anderem aus der Lektüre der Unterlagen zum Bau des Orgelgehäuses ergibt. Hier wurde um Materialdicken und Arbeitsstunden gefeilscht, und im Inneren der Orgel kamen Reste von Bruch- und Abfallholz des Vorgängerinstrumentes zum Einsatz.

Nach dem Ende der Außensanierung der Lutherkirche wurde im Jahr 2000 das damals teilweise ausgelagerte Instrument einer großen Generalsanierung unterzogen und präsentiert sich seitdem als ein klanglich auf- und anregendes Werk, auf dem nahezu die gesamte Literatur vollgültig dargestellt werden kann. Ein großer Fehler der Orgelplaner konnte allerdings nicht mehr rückgängig gemacht werden: im Zuge der Neugestaltung von Orgelgehäuse und Prospekt wurde das große Rosettenfenster über dem Eingangsportal geschlossen und damit dem Raum seine natürliche Hauptlichtquelle zur Gottesdienstzeit entzogen. Ein wirklicher Schildbürgerstreich.

Orgelwartung

Anfang 2010 wurde der alte Weyland-Spieltisch einer völligen Neugestaltung unterworfen: störanfällige und nicht mehr lieferbare Registerschalter wurden ersetzt, die teils abenteuerlich verlegte Elektrik auf einen sicheren Stand gebracht und eine Setzteranlage eingebaut, die den Abruf von mehr als 8.000 vorprogrammierten Registrierungen erlaubt.

Die seitdem jährlich stattfindende Wartung der Orgel durch den Orgelbaumeister Gerhard Walcker-Mayer beseitigt nicht nur aktuelle Störungen, sondern sorgt auch immer für weitere klangliche und technische Verfeinerungen und Steigerungen. Und wenn der weit in der Welt herumgekommene Meister immer wieder betont, dass er in unsere Orgel regelrecht verliebt sei, kann uns das eigentlich nur stolz machen und vielleicht Anlass sein, das Instrument Orgel mit allen ihren Klangmöglichkeiten einmal wieder bewusst zu erleben. Dazu muss man nicht in die vermeintlichen Orgelzentren fahren: in der Lutherkirche besitzen wir selbst eins.

Gelegenheiten dazu sind z. B.

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